Syndikat. Labor 214 (Teil 6)
Du kannst den vorherigen Teil der Geschichte hier finden.
< Servername: “Westblock 81” Arbeitsstation
Ereignisprotokoll des neuronalen Überwachungssystems “Arbitrium”
Ein Protokoll zur Aktivierung des Neurokommunikationschips ist vorhanden. Testprotokoll im Anhang.
Zugriffsstufe: Leutnant >
Aktivierungsprotokoll SP-09873611
Datum:
19.03.2051
Kommunikator
Anthropomorphes Subjekt N-1. Nennt sich “Nomad” oder “Lost”
Einleitende Informationen
Subjekt N-1 wurde von einem Hoguksin-02 Spezialagenten (persönlicher Name: Ichiro) am 15. März 2051 um 02:14 Uhr übergeben. Die Übergabe erfolgte während eines Aufklärungs- und Kampfeinsatzes im E6-Quadranten. Nach Angaben des Agenten Hoguxin-02 gehört das Subjekt zur Gruppe der Nomads, die eine Resistenz gegen die Auswirkungen der geopathogenen Zonen haben.
Medizinische Untersuchungen zeigten signifikante Abweichungen der biologischen Messwerte von normalen Parametern. Bluttests, Gewebsproben und viszerale Scans weisen auf vielfältige Pathologien, Zellanomalien und Veränderungen in der biochemischen Zusammensetzung von Flüssigkeiten hin.
Insbesondere sind wir auf die seltenste epidermale Mutation gestoßen, die zu irreversiblen Veränderungen in der Hornschicht der Haut geführt hat. Es gibt Hinweise darauf, dass es zu einer Verschmelzung des Körpers des Probanden mit den Ausrüstungselementen gekommen ist und es unmöglich ist, sie zu trennen, ohne Schaden anzurichten. Das Gleiche kann über eine Maske gesagt werden, die in einigen Aspekten einem Chitinpanzer ähnelt, der mit den Gesichtsknochen des Schädels verbunden ist.
Besonderes Augenmerk sollte auf die Gehirnaktivität des Probanden gelegt werden. Nach sorgfältiger Diagnose haben wir ungewöhnliche neuronale Aktivität aufgezeichnet, die auf eine Exposition gegenüber bisher unerforschten Reizen hinweisen kann.
Die Testperson wurde vier Tage lang im Labor 214 festgehalten.
Vernehmungsingenieur (im Folgenden VI): Für das Protokoll. Wir befinden uns im Labor 214, Westblock 81. Die Prozedur zum Einsetzen des Arbitrium-Chips in die Versuchsperson N-1 war erfolgreich. Das Subjekt ist mit Sicherheitsgurten auf dem Prüftisch fixiert. Die Wirkung der Beruhigungsmittel wird in 10 Minuten nachlassen.
< Pause >
< Rascheln. Summendes Kehlkopfgeräusch >
VI: Die Testperson hat das Bewusstsein wiedererlangt. Unwillkürliche Kontraktionen der Gliedmaßen werden visualisiert. Die Untersuchung der Daten zu den Gehirnaktivitäten... Die Reaktionen sind innerhalb akzeptabler Grenzen. He, du! Sieh mich an. Verstehst du, was du bist?
VI: Der Grad der Schmerzreizung ist angemessen. Die kognitive Wahrnehmung ist nicht verzerrt. Du musst keine Qualen imitieren. Deine Nervenimpulse sind völlig in Ordnung. Obwohl wir einige Signale noch immer nicht erkennen können... Wie ist dein Name?
N-1: Das spielt keine Rolle.
VI: Womöglich. Dein Gehirn ist interessantes Material wegen dieser anomalen Fluktuationen, aber das bist nicht du, den wir brauchen. Sondern Lloyd, den Abtrünnigen der "Dawn's Children". Das Syndikat verlangt deine Erinnerung an die letzte Interaktion mit ihm.
< Pause >
VI: Du hast ein Interesse daran, zu tun, was man dir befiehlt. Wir schließen dich an einen Neurotransmissionsprozessor an. Und wenn es nötig ist, kann ich mir selbst jede Information holen. Aber du kannst den einfachen Weg wählen. Beschreibe das letzte Mal, dass du mit Lloyd gesprochen hast.
< Schweigen. Geräusch von unterbrochenem Atmen. Hintergrundpiepen von Lesegeräten >
VI: Richtig.
< Kurze elektrische Entladung. Abgequetschter Schrei. Befestigungsgurte knarren >
VI: Mehr?
< Pause >
N-1: Es war nach dem Treffen in der Zuflucht... Nomads kennen viele Wege im Ödland. Ich folgte einem von ihnen und ließ das Tal weit hinter mir. Aber ich kehrte um, wegen Lloyd.
VI: Warum?
N-1: Ich ging an Orte, wo Lloyd nicht hinkam. Er war dort, an der Grenze — hungrig und erzürnt. Ich kehrte um, um nicht das Ziel seiner Armee zu werden. Er wird die Nomads nie in seinem Dienst sehen.
VI: Was nennst du eine Armee? Lloyd ist nicht mehr allein?
N-1: Nein. Er ist jetzt der Vater von Monstern. Seine Kinder arbeiten Tag und Nacht, denn er selbst kennt keine Ruhe.
VI: Wohin wird er gehen?
< Pause >
< Kurze elektrische Entladung. Ein dumpfes Knurren >
VI: Wohin?
N-1: Zu einem vergessenen Ort. Von wo nur die Verlorenen zurückkehren können.
VI: Warum?
< Pause. Monotone Gerätepiepser variierend in Tempo und Frequenz >
VI: Ich empfange eine unbekannte elektrische Welle. Die Geräte melden einen Anstieg der Körpertemperatur und des Muskeltonus. Antworte! Ich weiß, wenn du lügst.
N-1: Um die Wiege eines zerbrochenen Gottes zu finden.
< Pause >
VI: Zeig mir diesen Ort.
N-1: Du darfst es nicht wissen.
VI: Ich bin nicht hier, um noch einmal zu fragen.
N-1: Lass mich in Ruhe!
< Ein ringender Lärm, das Geräusch eines gerissenen Riemens, der mit Wucht gegen den Ständer peitscht. Lange elektrische Entladung. Betäubender Schrei, der in Keuchen übergeht >
VI: Für das Protokoll. Die Testperson zeigte Widerstand und wurde neutralisiert. Aktiviere Interface für direkte Gehirnverbindung. Subjekt N-1 hat visuell beobachtete Lähmung. Leser registrieren einen Schmerzschock.
< Pause >
VI: Übermittlung von Informationen über das geodätische Segment in der subjektiven Wahrnehmung von N-1... Ich befinde mich in einem verlassenen Gebiet mit spärlicher Vegetation. Vor mir ist die verschwommene Silhouette eines Gebäudes zu sehen, ich gehe auf einem knollenartigen Boden darauf zu. Ich sehe die Kadaver von Vögeln und Kleintieren ohne offensichtliche Verletzungen und Anzeichen von Verwesung. Es liegt ein starker Geruch von Schwefelwasserstoff in der Luft. Ich spüre, wie sich meine Atmung und mein Herzschlag verlangsamen... Ich stehe am Eingang eines Industriegeländes, möglicherweise einer Maschinenhalle. Mein Brustkorb vibriert, die Sicht ist verzerrt. Hinter den Türen befindet sich eine technogene Geräuschquelle. Ein Düsentriebwerk oder eine Turbine... Nein, ich kann nicht reingehen, es ist zu schwer...
< Schwerer Seufzer und Knarren des Drehstuhls >
VI: Diensthabende Techniker, lokalisiert das Objekt und bringt die Person zurück in die Zelle. Das war für heute alles.
< Ende der Aufnahme >
Dienstnotiz
Am achten Tag der Inhaftierung von Testperson N-1 ereignete sich im Labor 214 eine Explosion. Die Detonationsquelle ist nicht bekannt. Überliefertes Überwachungsmaterial zeichnete den Beginn der Operation auf, um das eingewachsene Outfit von N-1s Körper zu trennen. In den letzten Minuten vor dem Vorfall versucht das Laborpersonal, die Maske des Probanden zu entfernen, woraufhin die Laborausrüstung versagt.
Keiner der im Labor Anwesenden, einschließlich der Versuchsperson N-1, überlebte.