Asche zu Asche
Robin, ein Söldner der Dawn's Children, langweilte sich bei seiner Wache. Zum hunderttausendsten Mal betrachtete er einen leeren, von Neonröhren hell erleuchteten Korridor des Wissenschaftskomplexes, der einen tristen Eindruck machte. Dann starrte er einige Sekunden lang auf die massive Eisentür der bewachten Lagerhalle, an der sich seit der letzten Inspektion nichts Neues getan hatte. Dann blieb sein Blick bei seiner Partnerwache hängen. Gähnend fragte Robin träge:
— Connor, ich wollte dich etwas fragen... Weißt du überhaupt, was wir hier bewachen? Normalerweise ist eine Wache mehr als genug für diesen Ort...
Der zweite Söldner zuckte mit den Schultern und antwortete gelangweilt:
— Wer weiß? Ich habe gesehen, dass gestern einige Kisten gebracht wurden, und sie wurden genau hier verladen. Die Eierköpfe liefen herum, als hätten sie einen Jahresvorrat an Alkohol in diesen Kisten. Sie sollen nicht lange hier bleiben. Morgen müssen sie woanders hingebracht werden. Wahrscheinlich noch ein paar andere furchterregende Kanonen, deren Funktionsweise nur diejenigen verstehen, die einen chemischen Schutzanzug für den letzten Schrei halten. Trotzdem wird uns niemand eine von ihnen in die Hände drücken...
Connor wollte ausspucken, aber er sah auf den sauberen Boden und änderte seine Meinung. Stattdessen winkte er mit der Hand und wandte sich ab, in dem klaren Glauben, dass das Gespräch beendet sei. Aber Robin wollte sich den Spaß nicht verderben lassen und versuchte, weiterzumachen:
— Hast du übrigens gehört, dass jemand die Information über den Angriff auf uns an die Bosse weitergegeben hat? Ich stand gestern am Kommandoposten und habe das Gespräch der Children mitgehört. Glaubst du, das ist wahr?
Connor schaute seinen geschwätzigen Partner irritiert an.
— Es spielt keine Rolle, was ich denke — die Eierköpfe haben es anscheinend geglaubt. Ich habe von einem Freund unter den Wächtern gehört, dass sie gestern angeordnet haben, die Patrouillen zu verdoppeln. Obwohl ich denke, uns hier anzugreifen ist Selbstmord. Die
Dawn’s haben so viele Söldner und so viele Waffen hier versammelt... Jeder wird sich an unserer Verteidigung die Zähne ausbeißen. Die Minenfelder allein sind schon genug! Weißt du noch, wie die Bunker in den Ruinen ausgestattet waren?
Robin stöhnte übertrieben traurig auf, dann lachte er:
— Oh, erinnere mich nicht daran! Wir haben so viel Energie darauf verwendet, die Tunnel, dahin, zu säubern, ich glaube, ich habe immer noch etwas Steinstaub auf meinen Zähnen... Aber alles in allem haben sich die Children gut geschlagen. Ganz gleich, was du sagst, sie zahlen gutes Geld — ich hätte nichts dagegen, für so viel Geld weiter zu arbeiten.
Connor grinste, nickte und wollte etwas sagen, aber die Worte blieben ihm im Hals stecken, als der Korridor plötzlich von einem alarmierenden scharlachroten Licht erhellt wurde und eine mechanische Stimme aus den in den Wänden versteckten Lautsprechern dröhnte:
— ALARM! GEFAHRENCODE — SCHWARZ! MILITÄRISCHES PERSONAL MUSS DIE PLÄTZE AM ÖSTLICHEN VERTEIDIGUNGSRING BESETZEN! PRIORITÄT NULL! ALARM!
Robin sah seinen Partner mit einem verärgerten Gesichtsausdruck an, winkte ihm zu und rannte zu seinem Posten, wobei seine Armeestiefel auf dem Beton klapperten und von allen Seiten das gleiche Klappern erklang. Seine Füße trugen ihn durch die Gänge in Richtung des ihm zugewiesenen Bunkers, und in seinem Kopf schwirrten die Gedanken: "Richtig, Priorität Null bedeutet, dass alle Kämpfer an der Front erwartet werden. Und der schwarze Gefahrencode ist die höchste Stufe der Bedrohung, die ausgerufen wird, wenn sie von eindeutig überlegenen Kräften angegriffen werden. Was für ein System... Warum können die Eierköpfe es nicht wie normale Menschen machen?
Robin rannte die steile Treppe im Tunnel hinauf, wobei er in seiner Eile fast über den dicken Stapel von Kabeln auf dem Boden stolperte, und rannte hinauf zum Bedienfeld des "Synthesis"-Turms. Seine Finger fuhren gekonnt über die Knöpfe und Kippschalter auf dem Pult und wiederholten die Bewegungen, die er während seiner Ausbildung gelernt hatte. In den Tiefen des Geräts war ein immer lauter werdendes Summen zu hören, der Block aus Energiezellen begann sich langsam zu drehen, und in der Luft lag ein Geruch von Ozon. Schließlich schob sich die Tarnplatte, die den Turm verdeckte, zur Seite, und der Söldner konnte sehen, was sich vor dem Labor abspielte.
Sein Geschützbunker war — wie viele andere, die die Dawn’s Children in den letzten Monaten angelegt und ausgerüstet hatten — ein von innen befestigter Raum in den Ruinen eines der Satellitengebäude des Labors von vor der Katastrophe, der mit ihm durch einen unterirdischen Korridor verbunden war. Von außen unterschied er sich nicht von den anderen aschebedeckten Ruinen des Wissenschaftskomplexes, und die Signale der Geräte im Inneren wurden durch die gepanzerten Wände abgeschirmt. Nach den Vorstellungen der Ingenieure der Dawn's Children sollten die Feuersektoren dieser Panzerkästen die Durchgänge in den Minenfeldern rund um das Labor kontrollieren. Das Bild, das sich vor Robins Augen bot, machte deutlich, dass die Dinge nicht nach Plan gelaufen waren.
Eine Vielzahl räuberischer Kampffahrzeuge glitt im Schwebeflug über das Minenfeld, durchsuchte den Raum um sich herum mit ihren roten Strahlen und umging die scheinbar gut getarnten Minen problemlos. Die Rümpfe dieser Maschinen waren mit Gruppen von dunkel brennenden Okularen übersät. Ravagers! Sie lieferten sich ein Feuergefecht mit den gepanzerten Fahrzeugen der Wissenschaftler, die gekommen waren, um sie abzufangen — aber sie hatten keinen Handlungsspielraum, weil sie sich an die ihnen bekannten sicheren Passagen des Minenfeldes halten mussten. Und sie starben, starben unter dem unmenschlich präzisen Feuer der intelligenten Maschinen, die Laserstrahlen und Plasmaladungen ausspuckten.
Die Ravagers selbst ignorierten das wahllose Geschützfeuer der Laborverteidiger verächtlich und kassierten nur gelegentliche Treffer auf die schimmernden blasenartigen Kraftschilde. Die einzigen Probleme bereiteten ihnen die Kampfdrohnen der Children, die von den Minen unbeeinflusst blieben und aufgrund ihrer Manövrierfähigkeit sogar den computergesteuerten Schüssen der Ravagers ausweichen konnten. Aber die Waffen der Drohnen waren zu schwach, um die Kraftschilde zu durchdringen, so dass sie nur ein lästiges Ärgernis darstellten.
Ein paar Sekunden lang starrte Robin ungläubig auf diesen Albtraum. Das darf doch nicht wahr sein! Niemand hatte damit gerechnet, dass der Feind die Minen so leicht aufspüren und gegen die Verteidiger einsetzen konnte! Und warum wurden die Angreifer so spät entdeckt? Wo sind die berühmten verstärkten Patrouillen? Wo ist die Langstreckenaufklärung?
Während er sich diese Fragen stellte, bemerkte er nicht sofort das durchdringende Pfeifen, das sich aufbaute. Aber er konnte einen Feuerball, der wie eine blaue Sonne leuchtete und von der Seite des Labors kam, nicht länger ignorieren. Der Pfiff wurde unterbrochen, als dieses Geschoss in der Nähe eines der Ravager einschlug — und das Schlachtfeld verschwand hinter einem grellen Blitz. Der Söldner dachte, er sei erblindet, doch einen Moment später kehrten seine Sinne zurück, und durch die Regenbogenblitze hindurch, die vor seinen Augen schwebten, sah er, dass der Einschlag einen geschmolzenen Krater hinterlassen hatte, umgeben von verkohlten Teilen des Roboters, der noch vor kurzem unverwundbar gewesen war. Robin murmelte etwas vor sich hin:
— Wow, das sind also die "Pulsare" im Einsatz... So mächtig...
Der abgeschossene Ravager machte auf dem Schlachtfeld keinen großen Unterschied, aber dieser Schuss zeigte, dass sie besiegt werden konnten, und schien eine Art von Illusion zu zerstreuen. Einer nach dem anderen erwachten die Bunker zum Leben und eröffneten das Feuer aus mächtigen stationären Waffen — mehrläufigen Lasern und schnell feuernden Plasmaemittern.
Auch Robin schüttelte seine Taubheit ab. Er umklammerte die Steuerelemente, bis seine Knöchel weiß wurden, zielte mit dem Geschützturm auf die nächstgelegenen Ravagers und drückte hektisch die Abzüge durch. Die Energieeinheit drehte sich mit einem Heulen, verwandelte sich in eine verschwimmende Spindel, und eine Kette rotglühender Plasmaladungen strömte auf den Feind zu. Der Kraftschild flackerte und zerstreute sie ... und zerbarst, als ein glühender Laserspeer aus einem anderen Bunker ihn durchbohrte. Eine Reihe von Plasmaladungen durchschlug einen der Motoren des Ravagers, und das Kampffahrzeug schwankte plötzlich seitwärts. In dem verzweifelten Versuch, das Gleichgewicht zu halten, schlug der Roboter auf dem Boden auf und verschwand in einem feurigen Blitz — die Minen hatten endlich ihre Beute gefunden.
Mit einem Grinsen richtete Robin sein Feuer auf das nächste Ziel. Zu ihm gesellten sich die verbliebenen Drohnen in der Luft, und gemeinsam überlasteten sie die Kraftschilde und rissen das eiserne Ungetüm einfach in Stücke. Ein weiteres ohrenbetäubendes Pfeifen ertönte, und einen Moment später wurde ein weiterer Ravager durch einen Volltreffer der "Pulsar" fast verdampft. Die gepanzerten Fahrzeuge der Wissenschaftler verzögerten den schnellen Angriff der Kampfroboter, indem sie die stationären Verteidigungsanlagen angreifen ließen, und das Kräfteverhältnis begann sich langsam zugunsten der Verteidiger zu verschieben. Bis drei Bunker auf einmal in einem vernichtenden Feuerhagel verschwanden.
Robin, der das gesehen hatte, blickte erstaunt auf, woher der monströse Treffer gekommen war, und etwas in ihm zerbrach. In der Ferne wirbelte eine riesige Aschewolke auf, die sich rasch näherte. In ihr leuchteten Hunderte von Dämonenaugen rot auf, und kolossale Raubtiersilhouetten traten langsam hervor. Die Silhouetten waren viel größer als jedes gepanzerte Fahrzeug, das Robin je gesehen hatte. Der Söldner erkannte die bittere Wahrheit — die ganze Zeit über hatten sie nur mit der Vorhut der Ravagers gekämpft, und nun näherte sich die Hauptstreitmacht. Und das war sein letzter Gedanke.